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„Das Lied vom Bleiben“

 

 

Ich bin ein alter Baumstamm

meine Wurzeln hab’ ich tief versenkt

man hat mich nicht gebrochen

und mir etwas Zeit geschenkt

 

ich   zieh den reinen  Saft 

aus  kalter Erde Quell

er stärkt mich gegen Windeskraft

und füllt jede durstgeplagte Zell

 

Ich kann den Vogelzug begleiten

nur für einen Augenblick

mein Wurzelwerk spürt diese Zeiten

dann   zieht es mich

mit aller Macht zurück

 

 

Lass tanken uns vom Wurzelstrang

so lang wie’s geht das Wasser

und  schenkt es ein mit viel Gesang

bis der Herbst beruhigt die letzten  Prasser

 

 

Die Wurzeln die mich speisen

sind nicht der Weisheit letzter Schluss

und hau’n mir keine Schneisen

doch halten sie mein Herz in Fluss

 

Und weht der Wind das was uns blieb 

an Mutter Erde fort

geht wer flach die Wurzeln trieb

schnell weg an einen bess’ren Ort

 

Einen Wunsch noch,  Sensemann! 

schneid raus vom Stamm für’s erste nur ein Stück 

heize  deinen  Ofen ein und komm 

einfach später dann nochmal zu mir zurück

 

Lass tanken uns vom Wurzelstrang

so lang wie’s geht das Wasser

und  schenkt es ein mit viel Gesang

bis der Herbst beruhigt die letzten  Prasser

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Der Apfel                          

 

ein roter apfel, ungespritzt,

hat sich im fallen leicht aufgeschlitzt

denn er streifte eine spitze

eines ästlein das ihn ritzte

und stürzte nieder in das gras

welches vom morgentau ganz nass

 

zu gleich ein fräulein kam herbei

und fragte sich: was ist dabei?

wenn ich betracht' den knackig schönen

der im grase tat so stöhnen

noch von des streifens einer spitze

eines ästleins das ihn ritzte

 

sie dacht: den könnt ich noch geniessen

in ihn reinbeissen und zerfließen

und in des mündlein's tiefe schlingen

mit des apfel's säfte ringen

trotz des streifens einer spitze

jenes ästleins dass ihn ritzte

 

so hob sie auf den apfel lieb

ihn kräftig blank am kleidchen rieb

und zog noch ab den holzig stiel

der ihr als einz'ges nicht gefiel

dann schien's als sei sie sehr zu frieden

ein glück, dass sie ihn nicht gemieden

 

doch die herrlich runde frucht

voller saft und farbenwucht

hatte noch die unglücks wunde

die ganz braun wurd' nach dem funde

und vom schlitz der haut ganz schnelle

weich geworden an der stelle

 

sie sah den ritz nach halber stund

was für ein schmiss im apfelgrund

wie beim ritter vom turnier

wurd' die wunde ihm zur zier

verliebt in seine narbenhaut

biss sie hinein als apfelbraut

 

doch hörte nicht auf sein rumgestöhne

das bald ihr vorkam wie gedröhne

kurz, sie konnt es nicht ertragen

das ihr held tat ständig klagen

und rief adieu und lies ihn fallen

angebissen ins grase prallen

 

aus dem die köpfe dicker schnecken

sich taten in die wunde strecken

um sich zu laben am zerfall

der schnell voranschritt überall

außen gab's noch schönste farben

doch tief im fruchtfleisch schmerz und narben

 

während der apfel leis' verdarb

und schließlich ausgelutscht verstarb

hatte sie ihn längst vergessen

und schon zehn äpfel aufgegessen

sogar noch heut' pflückt sie sich heiter

manch schönen apfel von der leiter

 

 

 

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